Geborgenheit und Weite
Alle paar Jahre wird vor meinem Gartenzaun ein grosses Maisfeld angepflanzt. So auch dieses Jahr. Als ich von den Sommerferien nach Haus kam, sah ich noch die Silhouette der Bäume und Häuser am Horizont, ebenso den weiten Himmel – ein Blick, den ich immer geniesse. Eineinhalb Monate später sehe ich vor allem hohe Maispflanzen – eine knappe Sicht auf den Himmel ist geblieben.
Wenn ich im Garten sitze oder arbeite, sehe ich nur noch das Maisfeld, weder Strasse noch Nachbarhäuser, weder Menschen, die vorbeigehen, noch fahrende Autos. Ich liebe dieses Gefühl, in einem «Huli» zu sein. Der Garten wird zu einem Ort, der mir Schutz bietet und die wunderbare Sicherheit des Geborgenseins. Von aussen sieht niemand, was ich tue. Die Menschen und Autos höre ich gedämpft. Ich bin ein Teil des Alltagsgeschehens, jedoch geborgen und behütet in einer grünen Oase, die mir Ruhe und Auftanken gönnt.
Inzwischen sehe ich fast nur noch die hohen Maisstauden mit ihren feinen Spitzen im Feld. Letzthin kam ein Fuchs herausspaziert – auch er geniesst den Schutz der dichten Pflanzung.
Schon bald wird das Feld abgeerntet, mein geschützter Sommerplatz verschwunden und die grosse Weite wieder sichtbar werden. Die Gartenzeit wird dann vorbeisein, trotzdem freue ich mich darauf, von meinem Stubentisch die Weite wieder zu sehen und die Nachbarn, die mir freundlich zuwinken können und ich ihnen.
Begrenzter Raum kann Geborgenheit schenken, genauso wie der Wechsel des Blickes in die Weite den Raum öffnet – beides brauche ich.
Die abwechslungsreichen Morgen- und Abendstimmungen am Horizont lassen mich öfters innehalten und an das tröstende und zuversichtliche Psalmwort denken:
Denn deine Güte reicht, so weit der Himmel ist und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. Psalm 57,11
Kathy Gerber
